„Du willst Politik studieren? Dann bekommst Du nie einen Job. Und wenn doch, dann sicher nicht im Landkreis Vechta“, sagte einer meiner Lehrer am Morgen der Abi-Entlassung. Das war 2000. Und heute? Heute habe ich einen Job im Landkreis Vechta, sogar direkt im Maschinenraum dieser Region: im Kreishaus. Mehr Job und Landkreis geht nicht.
Und dazwischen? Dazwischen lag ein Lebensabschnitt nach dem Bumerang-Prinzip: Nach der Schule ausfliegen, einen weiten Bogen machen und dann zielsicher zum Absender zurückkehren, in den Landkreis Vechta. Das war mein Plan. Eine echte Rückkehrer-Karriere eben.
Ich erinnere mich noch gut: Es war ein Sonntagmorgen. Mein Twingo war vollgepackt mit Klamotten, Büchern, einem Röhrenfernseher, einer kleinen Topfpflanze und einem „Fresspaket“ von meiner Mutter. Am Tag darauf sollte ich mein erstes Praktikum bei einer Agentur für Unternehmenskommunikation in der Nähe von München antreten. Ich weiß nicht, was meine Eltern dachten, als ich das Zündschloss im arg überladenen Mini-Renault umdrehte. „Wiedersehen macht Freude!“ hätte gut gepasst.
Nach dem Praktikum im Würmtal ging es ins Altmühltal: Einschreibung an der Katholischen Universität Eichstätt. Auf das bayerische Jahr folgte der Umzug nach Münster, wo bereits man Vater und mein Urgroßvater studiert hatten. Kurz vor dem Abschluss legte ich noch ein Auslandssemester samt Praktikum in Washington D.C. ein, dann der erste Job in der Heimat: Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Politikwissenschaft an der Uni Vechta. Schneller als gedacht war ich mit Sack und Pack zurück im Landkreis. Ans „Projekt Rückkehr“ hätte ich also einen Haken setzen können.
Aber nein, es sollte noch mal rausgehen. Berlin, Hauptstadt, Hipster-Hochburg, Job im Bundestag, Büro in der Wilhelmstraße, Wohnung in Friedrichshain (sehr hip!). Also noch einmal das Auto vollpacken und los. Es war eine tolle Zeit, klar. Dennoch wollte ich mit Berlin einfach nicht warm werden: zu groß, zu anonym, zu stickig, zu gestresst.
Heimat ist da, wo man verstanden wird, heißt es. Berlin hat mich nicht verstanden. Zu oft haben die Preußen mein „Moin“ mit einem Kopfschütteln quittiert: „Wa? Morjen? Kiek mal auf die Uhr, Schlafmütze.“ Schrippen, Broiler, alles knorke… Gut, vielleicht habe auch ich Berlin nicht verstanden. Was ich aber ganz sicher verstanden hatte, war, dass ich zurückwollte.
Das Ticket zum Rückflug vom Ausflug hat mir mein heutiger Chef ausgestellt, der Landrat des Landkreises Vechta. Seit vier Jahren bin ich Sprecher des Landkreises, wie es in unserer Heimatzeitung oft heißt. In der Unternehmenskommunikation weiß man, dass man hinter dem Produkt stehen muss, für das man eintritt. Das tue ich, von den Zehen bis in die Haarspitzen.
Der Landkreis Vechta ist meine Heimat, an der ich von den Dammer Bergen bis ins Goldenstedter Moor hänge. Mit diesem Lokalpatriotismus stehe ich nicht alleine. Viele meiner Freunde und Bekannten sind wiedergekommen, nachdem sie den Landkreis eine Weile lang von außen betrachtet haben. Sie leben oder arbeiten hier, sind wieder in ihren Vereinen oder Sportmannschaften aktiv. Ein Bumerang nach dem anderen kommt zurückgeflogen.
Wenn der Soziologe und Zukunftsforscher Matthias Horx Recht behält, liegen wir damit voll im Trend: „In den nächsten Jahren wird sich die Sehnsucht in Richtung Urbanität wieder umkehren – Dörfer, Kleinestädte und Regionen werden eine Renaissance erleben.“ In der Tat: Während in vielen ländlichen Regionen Deutschlands die Einwohnerzahlen sinken, wächst der junge und wirtschaftsstarke Landkreis Vechta stetig weiter.
Zurückkehren lohnt sich. Leben und arbeiten im Landkreis Vechta lohnt sich. Es funktioniert. Das wusste ich auch, als mir am Morgen der Abi-Entlassung ein Lehrer das genaue Gegenteil orakelte. Und ja: Das Wiedersehen hat Freude gemacht!