Raus in die Welt

Stationen einer Fotografin

Den bisherigen Lebensweg von Ann-Christin Bert kann man durchaus als kurvig, aber interessant beschreiben. „Ja, ich musste mich erst finden“, bekennt die heute 34-jährige Fotografin offen. Als geborene Visbekerin stand nach dem Realschulabschluss zunächst eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte auf dem Programm. Nach dem erfolgreichen Abschluss war der jungen und lebenslustigen Frau schnell klar, dass sie etwas mehr von der Welt kennenlernen wollte. „Mich zog es raus“, erinnert sie sich. Als Au Pair in den USA zu arbeiten, erschien ihr damals eine gute Möglichkeit, ohne große finanzielle Reserven ein anderes Land und andere Menschen kennenzulernen.

Spontan sei sie immer schon gewesen, bekennt sie mit einem strahlenden Lächeln. Gesagt, getan, ihr Lebensmotto – sechs Wochen nach dem Entschluss saß die damals 19-Jährige im Flieger Richtung New York. Nach einer knappen Einweisungswoche war sie in einer Familie in der Nähe vom "Big Apple" untergekommen. Die Betreuung der 7- und 8-jährigen Kinder ging ihr locker von der Hand, sie hatte viel Freizeit und konnte sie genießen.

"Ich habe sehr viel von dieser Mega-Stadt und dem Umfeld gesehen, es war eine unvergessliche Zeit, die mich sehr geprägt hat", sagt Ann-Christin Bert heute. Neben den vielen schönen Erinnerungen blieb auch das fließende Englisch "hängen", das sie nach einem Jahr sprach. Die Affinität zur Sprache führte dazu, dass sie im Anschluss sofort in einer erfolgreichen, international tätigen Wirtschaftskanzlei mit mehr als 800 Mitarbeitern in Frankfurt in ihrem alten Beruf unterkam. "Englisch war fast zu meiner zweiten Muttersprache geworden",erinnert sie sich.

Ein spannendes Umfeld und eine interessante Aufgabe – zunächst fühlte sich Ann-Christin Bert von der neuen Aufgabe herausgefordert. Nach einigen Jahren trat jedoch auch dort Routine ein – ein Zustand, den die junge Frau nicht gerne mag. Nach Frankfurt zog es sie nach Hamburg, weil ihr die Stadt deutlich besser gefiel und sie hier eine höhere Position mit etwas anderem Aufgabenfeld ergattern konnte. Nach mehreren Jahren merkte sie aber auch hier, dass die Berufsrichtung nicht das Richtige fürs Leben ist. Jetzt machte Ann-Christin den richtigen Cut: „Ich wusste, dass ich diesen Job nicht mehr weitermachen wollte. Er passte einfach nicht zu mir.“

Um in ein neues Leben zu starten, mussten zunächst alte Zöpfe abgeschnitten werden. Sie schrieb ihre Kündigung und packte den Rucksack, ohne zu wissen, was genau nun kommen wird. Auf einer längeren Reise, auf der sie viel fotografierte, fiel der Entschluss: „Ich will in einen kreativen Beruf wechseln.“ Zurück in Deutschland zog sie wieder nach Visbek, um an der Fachoberschule für Gestaltung in Cloppenburg ihr Abitur nachzuholen. Heute wohnt die mittlerweile 34-Jährige in Vechta und hat sich einen Namen als selbstständige Hochzeits- und Paarfotografin gemacht. Das jetzt endende Jahr (2020) ist auch für sie schwierig gewesen – es gab kaum Events, Hochzeiten fanden, wenn überhaupt, im kleinen Rahmen statt. Dennoch weiß Ann-Christin Bert, dass sie ihren Traumberuf gefunden hat. „Die Arbeit mit Menschen, die ihre Liebe und Zuneigung feiern, ist mir sehr wichtig. Das drücken meine natürlichen und ungestellten Fotos auch aus – emotionale, positive Erinnerungen, die bleiben. Meine Arbeit ist Leidenschaft.“

In Vechta fühlt sie sich mittlerweile zuhause. „Die Region ist meine Heimat“, bekennt sie offen. „Hier passiert sehr viel, auch das kulturelle Leben kann sich mittlerweile durchaus sehen lassen.“ Den Schritt von der Großstadt zurück aufs Land hat sie nicht bereut, auch wenn es in ihrem bisherigen Leben nicht immer nur geradeaus ging. Sie freut sich auf alles, was jetzt kommt und ermutigt jeden, eigene Wege zu gehen, Impulsen zu folgen und etwas zu finden, bei dem man Leidenschaft verspürt.

Text: Elisabeth Wehring, OM Medien, 2020

Foto: Martina Feicht